Geschichte
Lederwaren Schugt – eine Reise durch zwei Jahrhunderte
Von Zaumzeug und Hundegeschirren
März 1848, Zeit der deutschen Revolution: Wilhelm Schugt, Ururgroßvater des heutigen Inhabers, macht sich als Sattlermeister in der Bonner Wenzelgasse selbstständig. Durch seine besondere Fertigkeit in der Herstellung von Satteln, Zaumzeug, Reit- und Fahrgeschirren erwirbt er sich schon bald einen ausgezeichneten Ruf bei Kaufleuten und Adelsfamilien. Aber auch die Bauern aus dem Vorgebirge schätzen sein Handwerk, denn um ihre Waren auf den Bonner Markt bringen zu können, benötigen ihre Hunde robuste Geschirre. Kundenakquise war damals einfach, aber effektiv: Vor seinem Laden sitzend, machte Wilhelm die vorbeikommenden Bauern schonungslos auf ihre „arg verschlissenen“ Hundegeschirre aufmerksam, welche er dann im Laufe eines Markttages reparierte und dem Kunden am Abend wieder überreichte.
Maßgeschneiderte Trittbrett-Koffer
Nach dem Tod von Wilhelm Schugt 1876 führte sein gleichnamiger Sohn die Handwerkstradition des Familienunternehmens weiter. Das in Kunst und Lyrik beschriebene Gefühl der „Rheinromantik“ lockte viele, insbesondere englische Touristen nach Bonn und Umgebung, zudem ließen sich immer mehr Millionäre dort nieder. Wilhelm Schugt erkannte die Zeichen der Zeit und erweiterte das Sortiment um industriell erzeugte Lederwaren, als sich die Wandlung des Transportsystems zum Personen- und Güterverkehr durch Eisenbahn und Automobile abzeichnete. Er fertigte für seine reiche Kundschaft zum Beispiel maßgeschneiderte Koffer, die genau auf die Trittbretter der verschiedenen Automodelle passten und machte sich mit dieser Kunstfertigkeit einen Namen.
Wenzelgasse, Bonngasse, Neutor
Da die Bonngasse zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der Hauptzufahrtsstraßen zur Bonner Innenstadt war, verlegte Wilhelm Schugt sein Geschäft dorthin. 1912 wurde ein weiteres Geschäft in der Poststraße (heute: Mr. Baker) eröffnet, welches 1918 von seinem Sohn Josef und seiner Frau Berta übernommen und bis 1989 von ihren Kindern und Enkeln betrieben wurde. Wilhelm Schugt selbst verlegte sein Geschäft 1919 abermals von der Bonngasse an das Neutor (am Kaiserplatz), wo es seit 1924 von seinem zweiten Sohn Alois und seiner Frau Franziska weitergeführt wurde.
Lederwaren „auf Pump“
Im Oktober 1944 zerstörte ein verheerender Bombenangriff auf Bonn weite Teile der Innenstadt und Nordstadt, darunter auch das Geschäft der Schugts am Neutor, von dem nur noch die Außenmauern übrigblieben. Dank dem Zusammenhalt der Bonner Kaufleute gelang es dem Familienunternehmen Schugt diese schweren Zeiten zu überstehen, so dass sie nach dem Wiederaufbau des Hauses pünktlich zur Währungsreform am 21. Juni 1948 an alter Stelle wiedereröffnen konnten. Dass die Auslagen trotz schlechter finanzieller Lage mit Ware gefüllt waren, ist einer guten Verbindung zu einer Lederwarenfabrik in Waldbröl zu verdanken, die den Schugts für einen kurzen Zeitraum „Ware auf Pump“ zur Verfügung stellte. Am Tag der Einführung der Währungsreform standen die Kunden plötzlich Schlange vor dem Laden, um ihr „Kopfgeld“ von 40 D-Mark zu verprassen. Dann nahm das Wirtschaftswunder seinen Lauf.
Exklusive Einkaufserlebnisse
In den 1950er Jahren wurde das eingeschossige Haus am Neutor um zwei Etagen erweitert. Auch das Ladenlokal der Schugts wurde umgebaut. Shopping war damals ein echtes Erlebnis, der Spruch „Der Kunde ist König“ war Programm. Wer den Laden betrat, der wurde umsorgt und ausführlich beraten. Dazu gehörte natürlich auch, die Waren mit all ihren Besonderheiten zu präsentieren – und zwar auf einem ausgebreiteten Seidentuch auf der Glastheke. Wer Glück hatte, wurde von Irmgard Caspers bedient, der guten Seele der Familie Schugt, die im Alter von 13 Jahren von Wilhelm Schugt (dem 2.) als Lehrmädchen eingestellt wurde und stolze 63 Jahre im Unternehmen blieb!
Koffer statt Gummibärchen
Im Jahr 1966 wurde der Geschäftsbetrieb in ein größeres Ladenlokal auf die andere Straßenseite verlegt. Lange bevor Haribo seinen Flagshipstore eröffnete, verkaufte die inzwischen vierte Generation – Alois‘ Sohn Günter und seine Frau Annemarie Schugt – in einer Art „Franchise“ dort Taschen und Koffer von Mädler, einem Unternehmen, das in Deutschland zu dieser Zeit einen großen Namen hatte.
Ein schokobrauner Lieferwagen
Mit viel Fleiß, großem Engagement und einem klugen Geschäftssinn gelang es der Familie, ein Geschäft aufzubauen, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. 1970 hatte „Lederwaren Schugt“ sogar einen eigenen, braun lackierten VW-Bus als Lieferwagen, dessen Farbe eine Hommage an das firmeneigene Geschenkpapier war.
Günter Schugt erkannte schon früh, welche Vorteile Kooperationen mit sich bringen können. Er wurde Mitbegründer einer Einkaufsvereinigung, dem heutigen ASSIMA-Verbund, die sich zu einer der führenden Kooperationen im Bereich Lederwaren und Accessoires entwickelt hat. Auch heute ist das Familienunternehmen noch Teil des Verbundes.
Die Zukunft liegt in Bad Godesberg
Da in ihrem Ladenlokal am Neutor 3 die Miete um das Doppelte angehoben wurde, zog die Familie Schugt 1992 nach einem aufwendigen Umbau wieder zurück in ihr altes Geschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nach dem Tod seiner Eltern führten Michael Schugt und seine Frau Birgit das Unternehmen dort erfolgreich weiter. Man wollte aber wieder wachsen, wie einst zu Urgroßvaters Zeiten! Im Laufe der Jahre lernten daher auch andere Städte im Umkreis den Namen Schugt kennen und lieben.
Von 1987 bis 2011 gab es eine zusätzliche Niederlassung in Siegburg, im Jahre 2001 übernahmen Sohn Gert Schugt und seine Frau Irmgard die seit 1957 bestehende Firma Gumprecht am Theaterplatz in Bad Godesberg. Nach der Schließung des Bonner Geschäfts am Neutor im Sommer 2018 führt das Ehepaar als Vertreter der 5. Schugt-Generation die 170-jährige Familientradition fort.